Der erste Band der Trilogie folgt der Chronologie des Törns einmal um den Nordatlantik von Gibraltar über die Kap Verden, Karibik, Florida, New York, Halifax bis Cork, Irland, ohne deswegen zum kommentierten Logbuch zu werden. Die einzelnen Kapitel ruhen als Essays sozusagen in sich und können völlig unabhängig voneinander „häppchenweise“ gelesen werden: von vorn nach hinten, quer Beet, stichprobenartig, was auch immer.
Paul Werner: "Gentlemen segeln nicht gegen den Wind, Band 1, einmal New York und zurück"
ISBN: 978-3939279167
Auf zweierlei Aspekte erlaube ich mir, besonders hinzuweisen.
Zum einen liefert das Buch eine der seltenen Beschreibungen des sogenannten Intra-coastal Atlantic Waterway und den auf ihm geltenden Benutzungsregeln.
Der AIIC ist eine in geringem Abstand von der US-Ostküste und parallel zu ihr verlaufende Wasserstraße, die durch die Verbindung und Vertiefung von bereits vorhandenen Flussläufen und Lagunen sowie das Ausheben ergänzender Kanäle geschaffen wurde und ursprünglich der Krabbenfischerei und dem Transport der Orangen von den Plantagen Floridas zu den weiter nördlich gelegenen Absatzmärkten diente.
Und wenn man sich erst einmal an den etwa halbstündigen Rhythmus der Brückenöffnungen gewöhnt hat und sich keine Panik mehr einstellt, nur weil eine Brücke sich gerade vor einem schließt, fährt man lange Strecken sicher und entspannt und entgeht notorischen Gefahrenpunkten wie dem gefürchteten Kap Hatteras.
Heutzutage tummeln sich auf ihm zwischen Miami, Norfolk und Virginia, die Freizeitskipper auf Motor- und kleineren Segelyachten mittleren Tiefgangs.
Letztere müssen zwar an den meisten der zahlreichen Brücken die offiziellen Öffnungszeiten abwarten, doch dafür gibt es, im Gegensatz etwa zur „Stehenden Mastroute quer durch die Niederlande, keine Schleusen.
Die berühmte "irische Träne". So lautet der Spitzname des Fastnet-Felsens und Leuchtturms, der das Letzte zu sein pflegte, was irische Auswanderer auf dem Weg in die Staaten von ihrer Insel sahen - soweit sie überhaupt etwas zu sehen bekamen, denn meist hausten sie in den kabinen- und "fensterlosen", stickigen Zwischendecks und waren an Oberdeck nicht gern gesehen.
Ab und zu überrascht einen die atlantische Tide, die eine der Öffnungen nutzt, durch die man jederzeit wieder ungehindert ins Meer gelangen kann. In Wartestellung vor geschlossenen Brücken sollte man deshalb Abstand halten und nie die Strömung aus den Augen lassen, die unvermittelt zunehmen kann.
Letztere müssen zwar an den meisten der zahlreichen Brücken die offiziellen Öffnungszeiten abwarten, doch dafür gibt es, im Gegensatz etwa zur „Stehenden Mastroute" quer durch die Niederlande, keine Schleusen.
Mit den anderen, gleich schnellen oder gleich langsamen Mitgliedern des Konvoys hält man auf diese Weise ebenso Kontakt wie man in den Marinas mit den Einheimischen auf Tuchfühlung gehen und sich Ratschläge einholen kann. Tag für Tag erfreut man sich des Anblicks der Siedlungen und Städte ebenso wie der Natur und beobachtet diese bei ihrem fast unmerklichen Übergang von australer zu borealer Flora und Fauna.
Dabei muss man sich allerdings strikt im Tonnenstrich halten, denn jenseits der roten (Steuerbord!) und grünen (Backbord!) Stangen, auf denen die Pelikane ihre Mittagspause absitzen und die Seeadler ihre Nester bauen, wird es meist sofort absolut untief.
Der Abschluss eines Freischlepp-Vertrages mit einer der beiden großen „ADAC’s zur See“, die fast überall entlang der Route ihre Stützpunkte haben und daher mit ihren stark motorisierten gelben oder roten Schlauchbooten sehr schnell zur Stelle sind, ist dringend zu empfehlen. Irgendwo läuft man auch mit einem relativ kurzen Kiel um die 1,70 mal auf Schiet - und sei es in einer Marina, deren Becken tückische Stellen aufweisen können.
Zum zweiten hatten wir auf Solskin kurz hinter Norfolk eine magische Begegnung mit dem einst in Kanada auf Helling gelegten Nachbau der Bounty, der im 1962 mit Marlon Brando und Jack Hawkins gedrehten Film über die Meuterei auf der Bounty Verwendung fand und am Ende des Films auch „originalgetreu“ verbrannt werden sollte. Erst als Brando drohte, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, ersetzte man den Nachbau durch ein Modell, das in Zeitlupe abbrennt.
Fortan segelte die „Bounty 2“ unter wechselnden Eignern Touristen über die Ozeane und nahm noch an einigen weitern Filmen teil, bis sie - ja, bis sie wenige Monate nach der Begegnung mit uns in einen Ausläufer des Hurrikans Kathrina geriet und mit einer Urur-Enkelin des für die Meuterei verantwortlichen ersten Offiziers Fletcher Christian an Bord vor der Ostküste sank.
Für meinen „LO“ Lutz Unger und mich, die wir selbst noch auf einem Segelschiff gefahren waren, ein besonders bewegender und unvergesslicher Moment. Zumal das Schiff, das zunächst wie wir parallel zur Küste gefahren war, nur eben in entgegengesetzter Richtung, plötzlich seinen Kurs um neunzig Grad änderte und eine „Hundekurve“ fuhr, als wolle es mit uns Kontakt aufnehmen…
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